Gesund durch Stallluft und Kuhmilch

BauernZeitung, 22. Oktober 2015, Nr. 43


Zahlreiche Studien belegen einen positiven Effekt von Stallluft und unbehandelter Kuhmilch auf den Schutz vor Asthma und Allergien. Erfreulich für alle Kinder, die am Bauernhof aufgewachsen sind und eine Chance für Urlaub am Bauernhof ".

ANNI PICHLER


Herwig (18), Michael (15) und Christofer (14) – mittlerweile junge Erwachsene – sind eigentlich nie verkühlt, selten krank. Und haben keine Allergien. Sie sind am Bauernhof aufgewachsen. Sobald sie gehen konnten, sind sie auch schon mit den Gummistiefeln im Stall gestanden, haben Mich „direkt von der Kuh“ konsumiert und spielten stundenlang im Freien. Das eine hat mit den anderen nichts zu tun? Zugegeben, das alleine wird noch kein Garant für eine vollkommen gesundes Leben sein, aber es gibt doch Zusammenhänge. Davon ist ihre Mutter Silke Antensteiner, Bäuerin in Vorderstoder (OÖ), überzeugt. Und nun gibt es auch den wissenschaftlichen Beweis dazu.

 

Der „Bauernhof-Effekt“ ist wissenschaftlich belegt

Erika von Mutius, Professorin der Pädiatrie und tätig im „Haunerschen Kinderspital“ des Klinikums der Universität München, ist an Forschungen auf diesem Gebiet beteiligt. Sie berichtet: „Zahlreiche Studien belegen heute, dass Kinder, die auf einem Bauernhof aufwachsen, im Vergleich zu Nachbarskindern im gleichen Dorf ohne Landwirtschaft deutlich seltener an Asthma und Heuschnupfen erkranken und signifikant niedrigere Raten an allergischer Sensibilisierung aufweisen: „Zwei Faktoren wurden dafür als ganz wesentlich erhoben: der Aufenthalt im Kuhstall und der Konsum von unbehandelter Rohmilch. Entscheidend ist auch der Zeitpunkt. „Deutliche Effekte zeigen sich vor allem dann, wenn es bereits im ersten Lebensjahr den ‚Kontakt‘ gab“, so von Mutius. Auch bereits vor der Geburt sind positive Effekte nachweisbar: „Mütter, die sich in der Schwangerschaft im Kuhstall aufhalten, geben dem Kind ein anderes, robusteres Immunsystem mit (siehe „Der BauerhofEffekt“ unten). Wie oft oder wie lange man sich im Stall aufhalten muss, um einen Effekt zu haben und ob bereits Kurzaufenthalte eine Wirkung zeigen, ist wissenschaftlich noch nicht endgültig belegbar. „Je mehr desto besser“, sagt von Mutius.

 

Rohe Kuhmilch ist ein wirksames Mittel

Beim Schutz vor Asthma und Allergien spielt neben dem Stallaufenthalt der Konsum von nicht verarbeiteter Rohmilch eine wichtige Rolle. Wenn die Milch vor dem Konsum abgekocht wird, verschwindet der Effekt. Von Mutius: „Es konnte klar belegt werden, dass Eiweißstoffe in der Molke mit dem Schutz vor Asthma und allergischen Erkrankungen verbunden sind.“ Von Mutius will die Ergebnisse aber nicht falsch interpretiert wissen. Rohmilch enthält nämlich auch Erreger, die besonders bei Kindern, die nicht auf einem Bauernhof aufwachsen, mögliche Erkrankungsrisiken mitbringen. Die Wissenschaft müsse hier noch genauer klären, welche Schutzfaktoren in der Milch existieren. In der Forschung arbeitet man bereits mit Milchfirmen zusammen, um neue Wege für die Konsummilch (wie sie in den Handel kommt) zu finden, wo der Schutzeffekt nicht verloren geht.

 

Eine Chance für Urlaub am Bauernhof

Dass diese Erkenntnisse perfekt in die Schiene „Urlaub am Bauernhof“ hineinpassen, liegt auf der Hand. Auch Silke Antensteiner ist davon überzeugt. Nicht nur ihre Kinder waren von klein auf immer im Stall und Hof „mit dabei“, auch ihre Gäste versucht sie bestmöglich einzubinden. Gemeinsam mit ihrem Mann Hubert führt sie den Kinder- und Babybauernhof Zamsegg in Vorderstoder. Die Kinder- und Babybauernhöfe sind eine Spezialisierung innerhalb der „Urlaub am Bauernhof“-Schiene, die auf die Erfordernisse von Babys und Kindern eingehen. Silke und Hubert Antensteiner legen großen Wert darauf, dass die Kinder mithelfen dürfen. So sind sie im Haus beim Marmelade einkochen genauso mit Begeisterung dabei wie im Stall beim Ausmisten und dürfen auch einmal das Melken probieren.

Insgesamt 14 verschiedene Tierarten - angefangen von den Milchkühen und Hochlandrindern über Esel und Schwein bis hin zu Hühnern, Enten, Hasen, Gänsen, Hund und Katze - wollen am Hof versorgt werden. Silke Antensteiner ist in der Stadt in Linz aufgewachsen und kann daher sehr gut auf die Bedürfnisse ihrer Gäste eingehe, weil sie „beide Seiten kennt“. Mit Engagement und Begeisterung versucht sie den Kindern einen „normalen und unkomplizierten“ Zugang zur Landwirtschaft, zur Natur und generell zum „Kind sein“ zu lehren: „Ich sage den Gästen auch, dass es kein Problem ist, wenn die Kinder einmal dreckig werden.“ Silke Antensteiner, die auch Sprecherin der Kinder- und Babybauernhöfe in der Region Nationalpark Kalkalpen ist, will jedenfalls die Chance nützen, diese nachgewiesenen Gesundheitseffekte verstärkt ins Marketing für den Urlaub am Bauernhof für Babys und Kleinkinder, aber auch für Schwangere miteinzubeziehen. „Mit diesem Konzept könnten wir vor allem in der Nebensaison punkten. Denn mit Babys und Kleinkindern kann man auch während der Schulzeit auf Urlaub fahren.“ Für das Konzept sei allerdings bei den Vermietern noch Überzeugungsarbeit notwendig.

 

Botschafterrolle und Bildungsauftrag

Bei den Urlaub-am-Bauernhof-Betrieben sieht Antensteiner großes Potenzial, Botschafter für die Landwirtschaft zu sein und so zu einem guten Image beizutragen. Sie berichtet von vielen „Aha-Erlebnissen“ ihrer Gäste. Wie die Tiere betreut werden, wie Lebensmittel entstehen, wie am Bauernhof gearbeitet wird und warum es auch Förderungen für die Landwirtschaft gibt. „Es wird viel gefragt ", sagt Antensteiner, „von den Kindern, aber auch von den Erwachsenen“. Zweifelsohne steckt viel Arbeit hinter „Urlaub am Bauernhof“. Aber wenn die Urlaubskinder dann in der Früh - noch während ihre Eltern schlafen - zu ihr kommen, mithelfen wollen und die Frühstückseier direkt von den Hühnern im Stall holen, dann weiß sie: Sie hat etwas Gutes bewirk.


Der bauernhof - effekt

Was die Wissenschaft sagt

Der Bauernhof -Effekt ist eines der reproduzierbarsten und konsistentesten epidemiologischen Signale in der Allergieforschung. Er wird von zwei Komponenten wesentlich bestimmt: dem Aufenthalt im Kuhstall und dem Konsum der unbehandelten Kuhmilch.

Der Zeitpunkt ist entscheidend: Nur wenn es früh im Leben, vor oder nach der Geburt diesen „Kontakt" gibt, ist ein Einfluss auf die Entstehung von allergischen Erkrankungen und Asthma zu erkennen.

Einfluss vor der Geburt: Wenn sich die Mutter während der Schwangerschaft im Kuhstall aufhält, ist beim Kind die Entstehung von Neurodermitis im Alter von ein bis zwei Jahren etwa um ein Drittel verringert. Zudem produzieren Zellen aus dem Nabelschnurblut von Neugeborenen, deren Mütter auf dem Bauernhof im Stall gearbeitet haben, mehr Immunbotenstoffe, die gegen eine Allergieentwicklung wirksam sind. 

Quelle: Prof. Erika von Mutius , Haunerschen Kinderspital, Klinikum der Universität München